Ich bin ein besorgter Bürger. Bitte nicht mit anderen besorgten Bürgern verwechseln, denn ich bin besorgt: als Migrant, als Bürger, als Mensch.
Immer wieder gehen Menschen auf die Straße und schüren Ängste, die gewollt weiterverbreitet werden, um andere Menschen auf die eigene Seite zu ziehen und gleichzeitig andere Menschen von sich fernzuhalten. Seien es Demonstrationen gegen geplante Flüchtlingsheime, PEGIDA oder andere Ableger. Denen gegenüber muss ich, als Migrant, als Bürger, als Mensch, nun jeden Tag mein Dasein rechtfertigen, obwohl dies eigentlich nicht sein dürfte. Einige Menschen sind da diesbezüglich sogar noch schlimmer dran. Sie werden Opfer psychischer und physischer Gewalt, die nicht von einem unerheblichen Teil der demonstrierenden sogar toleriert (vielleicht sogar begangen?) wird. Ich persönlich empfinde dies als ekelhaft. Dafür habe ich keinen anderen Ausdruck.
Die Gefahr latenten Rassismus in die „Mitte der Gesellschaft“ zu lassen ist da weitaus größer, als jegliche Gefahr, die einer drohenden Islamisierung” entgegensteht. Wenn rechte Parolen von besorgten Bürgern” kommen, sollte spätestens dann jedem Teilnehmenden klar sein, dass es da um etwas anderes geht. Aber, man ist ja „besorgt“, da darf man das.
Warum eigentlich?
Der Wegfall christlicher Werte wird schließlich schon mit der Teilnahme an o.g. Demonstrationen gefestigt. Ganz ohne den gefürchteten islamischen Einfluss! Dies schaffen die Demonstrierenden ganz allein. Denn Mitmenschlichkeit steht noch immer in einem christlich-abendländischen Wertekanon an vorderster Stelle.
Wie kommt es also, dass es Menschen gibt, die nie oder selten eine Kirche besuchen, sich aber über die steigenden Schließungen verschiedener Kirchen, bei gleichzeitigem Neubau von Moscheen, beschweren?
Wie kommt es, dass es Kirchengänger gibt, die sonntags noch Mitmenschlichkeit heucheln, aber montags diese wieder in die Tonne treten, da ihnen die Souveränität ihres eigenen Vorgartens wichtiger ist, als der Schutz für Opfer von Gewalt, Hunger oder Armut?
Das ist nicht meine Sicht von Christlichkeit. Weder als Migrant, noch als Bürger, noch als Mensch.
Daher bin ich froh, dass es noch viele andere Menschen gibt, die meine Ansichten von Mitmenschlichkeit teilen. Menschen, die selbstlos Flüchtlingshilfe betreiben oder sich anderweitig (ehrenamtlich) für andere Menschen einsetzen. Menschen, die sich gegen rechtes Gedankengut stellen und sich an (Gegen-)Demonstrationen friedlich beteiligen. Menschen, die Gerüchte und Vorurteile, welche bei solchen Demos weitergetragen werden, durch Fakten widerlegen können. Sogar Menschen, die die Meinungsfreiheit derer verteidigen, die nicht der eigenen Meinung sind und „Wir sind das Volk!“ rufen, aber „Ihr nicht!“ meinen. Menschen, die christliche Werte nicht nur verlangen, sondern leben ohne lange darüber nachzudenken. Menschen, die andere Menschen als Menschen sehen und nicht zwangsläufig als potentiell Kriminelle oder Gewalttäter.
Diese Menschen geben mir jeden Tag mehr Hoffnung. Hoffnung darauf, eines Tages nicht mehr besorgt zu sein.
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